Weihnachten ist immer

Zu einem adventlichen Besinnungsnachmittag hatte Sr. Theresia Eberhard gemeinsam mit ihrem Team der MHGG nach Laupheim ins Dreifaltigkeitskloster eingeladen. Das Thema war „Sehnsucht nach dem, der kommt, um die Welt aufzurichten“.

Am 30. September hat sich der Himmel über weite Teile Deutschlands geöffnet und reichlich Schnee fallen lassen. Und trotzdem sind 32 Teilnehmende der Einladung gefolgt, um ihrer Advents-Sehnsucht Raum zu geben. Es war uns ein Anliegen, zur inneren Stille zu finden. Ein Berührtwerden erfahren zu dürfen, um so dem Geheimnis Gottes in unserer Welt näher zu kommen. Folgende Worte führten uns in die adventliche Stille hinein:

„Sehnsucht – Lasst uns Advent feiern, weil uns die Hoffnung blüht inmitten aller Ängste. Weil uns ein Licht scheint inmitten aller Nächte. Weil Dornen Rosen tragen, weil uns die Sehnsucht wachhält. Denn Gott ist schon immer im Kommen, gestern, heute und morgen. Er kommt durch alle Ängste und Nächte hindurch. Dafür sei IHM ewig Lob, Preis und DANK.“

Wer das Geheimnis von Weihnachten verstehen will, der braucht den Advent, der braucht die Zeit, um aus der Dunkelheit heraus, sich dem Kommen des Lichtes anzunähern und dann das Unsagbare zu hören, dem Unglaublichen zu trauen: Gott wird Mensch unter uns Menschen. Er kommt mitten hinein in die Begrenztheit unseres Lebens, in Dunkel und Heimatlosigkeit.

Geheimnis – Weihnachten, das ist das Fest des entgegenkommenden Gottes. Ein Gott, der mich persönlich liebt, ein Gott, der mich will – ein Gott, der mich fragt, so wie er Maria gefragt hat. Ein Gott, der auf mein „Ja“ wartet. Weihnachten – das ist das Fest der Menschen, die diese Liebe Gottes feiern. Und weil Gott die Liebe ist, gibt es immer Hoffnung. Hoffnung ist eine Kraft aus einer anderen Welt. Mit Hoffnung gesegnet zu sein, bedeutet Leben in sich zu tragen. Diese Hoffnung leuchtet hinein in unsere Welt. Und wir verspürten die Sehnsucht.

Auf diesem Weg begleitete uns das Weihnachtsbild „Maria mit dem Kind“ von Marc Chagall.
„Maria trägt ihr Kind, das Kind trägt uns“. Im Hintergrund sehen wir einen Engel. Das Bild erinnert uns an die Ankündigung der Geburt Jesu. Im goldgelben Schein, der auf Maria strahlt, zeigt sich der Segen, welcher auf ihr liegt. Im tiefen Blau will Chagall den Betrachtenden vom Vordergründigen zum Hintergründigen führen. Im Sichtbaren will er das Unsichtbare aufscheinen lassen. Vom Zeitlichen will er uns zum Ewigen führen. Das Bild lädt uns weiter ein wie Maria, an die Möglichkeit des Unmöglichen zu glauben.

„Maria, Hörende, Offene - sie hat den Sohn empfangen.“
Was darf ich empfangen in der Kraft des Geistes?
„Maria, Bereite, Bereitete - sie hat JA gesagt zu Gottes Wort.“
Was antworte ich, Gott, auf dein Wort?
„Maria, Gebärende, Mutter - sie hat Gottes Sohn zur Welt gebracht.“
Was will geboren werden, Gott, aus mir? Was darf ich der Welt schenken?

Aus diesem tiefen Geheimnis der Menschwerdung Gottes ist ein altes Weihnachtslied entstanden: „Maria durch ein Dornwald ging“. Das Lied besingt den Weg Mariens durch einen Dornenwald. Sie trägt ein Kind unter ihrem Herzen, und dieses Kind bewirkt, dass der Dornenwald zu blühen beginnt und sich in einen Rosengarten verwandelt. Das Lied ist ein Gleichnis für den langen Weg Gottes mit den Menschen durch die mit Dornen und Disteln bedeckte Welt – auch heute noch. Aus dem Dornenwald der unvorstellbar schrecklichen Dinge in unserer Welt von Krieg, Terror und Gewalt, der vielen „Nein“ zum Gott des Lebens rufen wir: „Herr, erbarme dich – Kyrie eleison“.

In Weihnachten liegt eine unaussprechliche Hoffnung auf wirklich `rosigere Zeiten`. Weil Gott die Liebe ist, gibt es immer Hoffnung. Auch dort, wo alles aussichtslos erscheint, können Rosen blühen. Denn der Hoffende folgt dem Stern im Dunkeln und sieht ein Kind in der Krippe, in einem armen Stall. Er hört eine leise Stimme, die sagt: „Fürchte dich nicht.“ Dieser Gott ist so stark, dass er sich schwach machen kann im Kind von Bethlehem, im Gekreuzigten auf Golgota. Jesu Leben war nicht Macht, ER lebte die gewaltlose Liebe durch Barmherzigkeit und Güte. Denn Gottes letztes Wort wird nicht Krieg und Tod sein, sondern Frieden und Leben. Gott will uns damit stärken nicht aufzuhören, Frieden zu suchen in der „dornigen“ Welt und IHN zu bitten: „Verleih uns Frieden gnädiglich.“

Wie Maria, so sind auch wir in diese Welt gesandt, mit Gott „schwanger“ zu gehen. Seine Zusage: Gott ist mit uns – ist auch uns zugesprochen, damit wir die Botschaft der Liebe, des Friedens mit Herzen, Mund und Händen in den Alltag hineinbuchstabieren.
Meister Eckhart schrieb: „Die ganze Heilige Schrift und das Leben Jesu Christi hätten dieses eine Ziel: Dass Gott in uns geboren würde. Alle seien berufen, Mutter Gottes zu sein, denn Gott wolle immer auf die Welt kommen.“ Praktisch gesehen, kann Weihnachten eigentlich durch das ganze Jahr geschehen, vielleicht so: Als „weihnachtlich-aufmerksame“ Menschen zu leben.

Da ist der Kummer, aber da ist auch der Trost.
Da ist die Angst, aber da ist auch der Mut.
Da ist das Grau, aber da sind auch die Farben.
Da ist das Welken, aber da ist auch das Blühen.
Da ist das Scheitern, aber da ist auch das Gelingen.
Da ist die Dunkelheit, aber da ist auch das Licht.
Da ist die unaussprechliche Not, aber da ist auch immer ein Gebet.

Als Betende bitten wir um das Wirken des Geistes Gottes, verwandelt zu werden – Wohnung des barmherzigen Gottes zu sein, der wie ein*e Obdachlose*r auf der Suche nach einer Herberge ist. Weihnachten ist immer:  Weihnachten im Frühling, im Sommer, im Herbst und im Winter. Immer ist Weihnacht. Aber wo denn? Aber wie? „Gottes Geburt im Menschen.“

Sr. Theresia Eberhard