„Es geht um die Menschen“

Sr. Annette Fleischhauer SSpS war am Samstag, 7. August beim Erzählkaffee im Dreifaltigkeitskloster in Laupheim zu Gast. Sie erzählte in beeindruckenden Bildern von ihrer Arbeit als Seelsorgerin im Frauengefängnis in Berlin.

Dass es ihr um die Menschen geht wurde schon durch zwei Eingangszitate von Petrus Ceelen, einem ehemaligen Gefangenenseelsorger, deutlich. „Der Straftäter zeigt mir meinen dunklen Bruder“ und ".... In meiner Fantasie habe ich auch schon das eine oder andere Ding gedreht  eine Bank überfallen....". Als Gefängnisseelsorgerin versucht sie die innere Welt der Gefangenen, ihre Sehnsucht zu erreichen. Dass dies nicht einfach ist, wurde an den Schicksalen der Frauen deutlich, die Sr. Annette skizzierte. Die Jüngste war 15 Jahre alt, die meisten haben Drogenprobleme, kommen aus zerrütteten Familien, wurden Opfer von Gewalt und Missbrauch. Man kommt schnell auf Traumata zu sprechen. In Einzelgesprächen und im Wort-Gottesdienst, der alle zwei Wochen stattfindet, ist sie für die Frauen da und versucht sie zu stärken.

Wie nahe Sr. Annette an den Menschen ist, wurde bei ihrer Schilderung des Gottesdienstablaufs deutlich. Das Evangelium wird als „Geschichte aus der Bibel“ angekündigt. Die Frauen können im Gottesdienst ein Teelicht für ihre Anliegen entzünden. Wenn sie möchten, bekommen sie einen Rosenkranz, im Gefängnis allerdings mit weißen Plastikperlen. Dieser ist sehr beliebt. Bei jeder Perle können sie einen Satz sprechen, der ihnen guttut. „Das bringt die Frauen zur Ruhe“. Musikalisch sucht Sr. Annette moderne Musik, die die Frauen anspricht. Die anwesenden Schwestern und BesucherInnen konnten sich beim Anhören des „Gottesdienst-Hits“ „Unter Gottes Schutz“ selbst davon überzeugen.

Immer wieder unterbrach Sr. Annette ihre Erzählung, um auf die zahlreichen Fragen der Anwesenden einzugehen. Diese reichten von Fragen über ihr Verhältnis zu den Gefangenen (Gesprächsbedingungen) bis hin zum Alltag im Gefängnis. Was arbeiten die Frauen, wie sieht eine Zelle aus, wie ist der Kontakt mit den Familienangehörigen? Große Überraschung löste die Tatsache aus, dass bei einem Monatsverdienst von ca. 250 € Dinge des persönlichen Bedarfs wie Seife, Kleider, Kaffee oder Süßigkeiten selbst bezahlt werden müssen. Angesichts dieser Schilderungen wurde noch deutlicher, wie dankbar die Frauen auch für den Kirchenkaffee im Anschluss an den Gottesdienst sind. Dort gibt es für alle kostenlos Kaffee und ein Knoppers. In diesen Genuss kamen auch die anwesenden Schwestern und BesucherInnen.

Vielen Frauen im Gefängnis ist Gott bisher nur als strafender Richter bekannt. Sr. Annette zeigt ihnen einen Gott, der sagt: Ruht ein wenig bei mir aus. „Da hören die Frauen aufmerksam zu.“ Die Wahrheit eines Satzes, der Sr. Annette am Anfang ihrer Arbeit als Gefängnis-Seelsorgerin gesagt wurde, ist spürbar: Das Gefängnis ist ein Tabernakel!

Text: Gerlinde Wruck
Fotos: Gerlinde Wruck